Die digitale Transformation macht auch vor dem Gerichtssaal nicht halt. In Strafprozessen gewinnt der Einsatz technischer Hilfsmittel zur Unterstützung der Verteidigungsarbeit zunehmend an Bedeutung. Besonders im Fokus steht die Nutzung sogenannter Transkriptionssoftware, die gesprochene Sprache in Echtzeit in geschriebenen Text umwandelt. Doch trotz ihres offensichtlichen Nutzens bewegt sich ihr Einsatz rechtlich in einem sensiblen Bereich.
Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel und Rechtsanwalt Andreas Junge verfolgen aufmerksam die juristische Diskussion um den Einsatz solcher Technologien im Strafprozess.
Neue Wege der Protokollierung: Technik als Verteidigungshilfe
Traditionell ist es Verteidigern erlaubt, sich durch handschriftliche oder getippte Notizen ein eigenes Bild vom Verlauf der Hauptverhandlung zu machen. Inzwischen greifen einige Strafverteidiger auf Softwarelösungen zur automatisierten Transkription zurück. Diese Programme bieten die Möglichkeit, Aussagen nahezu wortgenau zu erfassen und können insbesondere bei der Vorbereitung von Revisionen eine wertvolle Hilfe darstellen.
Unterschieden wird zwischen Programmen, die Tonaufnahmen speichern, und solchen, die Sprache nur temporär verarbeiten, um sie direkt in Text umzuwandeln. Während Letztere eher als digitale Notizblock-Alternative betrachtet werden, werfen Systeme mit permanenter Aufzeichnung erhebliche straf- und datenschutzrechtliche Fragen auf.
Juristische Grenzen: Was ist erlaubt, was nicht?
Im Zentrum der Diskussion steht § 201 StGB, der das unerlaubte Aufnehmen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Strafe stellt. In öffentlichen Gerichtsverhandlungen ist dieser Straftatbestand in der Regel nicht erfüllt. Problematisch wird es jedoch bei Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit, etwa in Jugendstrafsachen oder bei besonders schutzbedürftigen Zeugen.
Sobald eine dauerhafte Tondatei erstellt wird, kann dies als Verletzung der Vertraulichkeit bewertet werden. Anders sieht es aus, wenn die verwendete Software keine Speicherung vornimmt und lediglich eine Textausgabe erstellt. In diesem Fall, so die herrschende Meinung, handelt es sich um eine zulässige Gedächtnisstütze – vergleichbar mit der handschriftlichen Mitschrift.
Dr. Maik Bunzel betont, dass gerade im Bereich des Strafverfahrensrechts tiefgreifendes Fachwissen notwendig ist, um diese feinen Unterschiede zu erkennen und rechtssicher zu agieren. Verteidiger, die moderne Technik nutzen wollen, müssen sich der juristischen Tragweite ihres Tuns bewusst sein.
Datenschutzrecht: DSGVO im Gerichtssaal
Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) spielt beim Einsatz digitaler Transkriptionstools eine nicht zu unterschätzende Rolle. Personenbezogene Daten – insbesondere von Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen – müssen geschützt werden. Rechtsanwalt Andreas Junge weist darauf hin, dass eine Verarbeitung solcher Daten zulässig sein kann, sofern sie zur Wahrung berechtigter Interessen der Verteidigung erforderlich ist und keine überwiegenden Rechte Dritter entgegenstehen.
Dabei ist entscheidend, dass keine Audioaufzeichnungen gespeichert oder gar weitergegeben werden. Reine Textverarbeitungen, die temporär erstellt und intern genutzt werden, bewegen sich meist im zulässigen Rahmen.
Gerichtliche Befugnisse: Der Vorsitzende bestimmt die Spielregeln
Unabhängig von der Strafbarkeit oder datenschutzrechtlichen Bewertung bleibt die Sitzungsleitung durch den vorsitzenden Richter maßgeblich. Nach § 238 Abs. 2 StPO kann dieser Anordnungen zur Leitung der Hauptverhandlung treffen und im Zweifel auch den Einsatz technischer Hilfsmittel untersagen.
Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel hebt jedoch hervor, dass eine solche Untersagung verhältnismäßig sein muss. Solange der Ablauf der Verhandlung nicht gestört wird und keine Tondateien entstehen, gibt es aus seiner Sicht kaum tragfähige Argumente für ein Verbot. Die Interessen der Verteidigung an einer vollständigen Dokumentation seien schutzwürdig und in vielen Fällen sogar erforderlich, um die prozessualen Rechte der Mandanten wirksam wahrnehmen zu können.
Der Gesetzgeber reagiert: Reform in Vorbereitung
Derzeit wird auf politischer Ebene über eine gesetzliche Neuerung diskutiert: Künftig sollen Hauptverhandlungen durch das Gericht selbst audiovisuell dokumentiert werden. Diese geplanten Aufzeichnungen könnten als Grundlage für offizielle Transkripte dienen und würden die Position der Verteidigung nachhaltig stärken.
Solange diese Gesetzesänderung jedoch nicht in Kraft ist, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Verteidiger wie Andreas Junge und Dr. Maik Bunzel müssen also weiterhin mit Fingerspitzengefühl und juristischer Sorgfalt abwägen, ob und in welcher Form moderne Software im Gerichtssaal genutzt werden kann.
Fazit: Zwischen Innovation und Rechtssicherheit
Die digitale Transkription bietet Strafverteidigern neue Möglichkeiten zur Dokumentation und Prozessanalyse. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex und im Wandel. Wer sich für den Einsatz solcher Technik entscheidet, sollte dies nicht ohne kompetente Beratung tun.
Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel und Rechtsanwalt Andreas Junge verfügen über fundierte Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen moderner Technik und Strafprozessrecht. Wenn Sie als Beschuldigter oder Verteidiger vor der Frage stehen, ob und wie Sie Transkriptionssoftware im Verfahren einsetzen dürfen, sollten Sie fachkundigen Rat einholen. Nutzen Sie dafür das Kontaktformular auf dieser Website und Sie erhalten professionelle Unterstützung auf dem aktuellsten Stand der Rechtsprechung.